In Wien Veritas Ein Abschiedsbrief • 2 Min Lese

Foto: Katrin Ketterer

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Von wegen in vino veritas. Durch das halbleere Glas betrachtet steht die ganze Stadt Kopf. Lass uns Freunde bleiben, Wien. Monogamie ist einfach nicht mein Ding, sagen die Leute. Und was die Leute sagen, glauben die Leute auch. Das ist dann schnell auch so. Wir waren gut zusammen. Ziemlich sexy. Wir hatten nicht viel Geld, wir beide. Wobei. Das stimmt nicht ganz. Eigentlich hatte nur ich keins. Du schon. Aber man ist auch in einer Beziehung immer nur so stark wie das schwächste Glied, oder? Ich war schwach, ich bin über diese andere Frau überhaupt erst mit dir zusammen gekommen.

Als sie langsam ging, bliebst du bei mir. Ich fand das auch immer doof, von der einen Sache in die nächste zu schlittern. Trotzdem blieb ich bei dir. Wir waren gut zusammen, auch wenn du manchmal immer noch nach ihr riechst. Wir kamen uns plötzlich so nahe. Ich habe sie dir hoch angerechnet, deine Loyalität. Diesen Punkt musst du mir jetzt auch zugestehen. Viele haben dich vor mir verlassen. Zu snobby, zu langweilig, zu morbid. Das sagen die Leute. Und was die Leute sagen, das glauben sie auch. Das ist dann schnell auch so. Wer ist schon gerne mit einer borderline suizidalen zusammen. Einer ewig unzufriedenen. Das färbt ja ab. Ich denke mir, wenigstens färbt es.

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Weißt du noch, wie wir vor Falcos Grab saßen und als einzige dort nicht geweint haben? Wir wussten, der Typ hat es nicht anders gewollt. Das Universum hat es nicht anders gewollt. So wie das mit uns beiden. Wir hatten kein Mitleid. Das ist, wie wenn jemand abseits von der Piste in eine Lawine fährt. Oder beim Basejumpen gegen einen Berg knallt. Kein Mitleid. Wir blickten auf das, was gut war. Nicht darauf, dass es irgendwann zu Ende geht. So sind die Menschen, da sind wir nicht allein. Irgendwann bist du so kalt geworden. Monatelang. Deine kalte Schulter in meinem Gesicht. Das hat mich krank gemacht, aber ich bin geblieben. Und wie alles andere, wirklich alles andere auf dieser von schwarzen Löchern umgebenen Erdkugel, ging auch das vorbei.

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Wir haben uns gefeiert. Wir haben uns ins Jenseits getrunken und von einem Leben aus schwarzem Vinyl und samtenen Vorhängen geträumt, während wir mit geschlossenen Augen tanzten. Ich habe dich damals sogar meinen Eltern vorgestellt. Sie wünschen sich so sehr, ich würde bei dir bleiben und endlich glücklich werden. Aber sie wissen nicht, dass man nicht glücklich wird. Sie wissen nicht, mit wem ich dich betrogen habe, während Max Herre gespielt hat. Was wird aus unserem Loft unterm Dach? Wie machen wir das mit dem Freundeskreis? Nimmst du die Hälfte und ich die andere? Wer bekommt den Marcel? Weißt du noch, wie er den Bürgersteig entlang gelaufen ist und pausenlos Rhabarbarabarbarabarbarabarbara vor sich hingebrabbelt hat, bis alle vor Lachen über dem Fahrradlenker hingen?

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Es tut mir wirklich Leid. Ich hab‘ mich einfach verändert. Ich bin gewachsen und du hast mir dabei geholfen. Aber wir haben uns von einander entfernt. Ich habe mich von dir entfernt. Ich habe keine Ahnung mehr, wie es ist, mit dir am Kanal zu sitzen. Mit den Füßen im Sand. Wie wir mit den Reichen Spaghetti aßen. Ich weiß fast nichts mehr von diesem desaströsen Dreier, der uns fast getrennt hätte. Und auch nichts von diesem Morgen ganz oben auf dem Kran. Du kannst mein Fahrrad behalten und das Klavier und die Zitronenmelisse. Ich fühle mich bei dir nur noch wie ein Tourist. Ein Besucher im Paradies. Ich bin mir sicher, dass sie im Paradies Sachertorte servieren. Eine Sache noch. Du kennst doch dieses „Es liegt nicht an dir, es liegt an mir“. Ich hasse das, weil es nie stimmt. Außer bei dir. Es ist nämlich nicht, dass ich nicht gern bleiben würde. Ich würde nur lieber… gehen.

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