Knutschen mit Murakami Der allerallerbeste Kuss • Glamour • 0.5 Min Lese

Foto: Anthony Yves

Fragt mich bitte nicht, was ein Fahrgastbefrager ist. Auf jeden Fall war das mein Job, als ich Anna kennenlernte.

Man steigt in Züge, fragt die Leute, wohin sie fahren. Es ist nicht so kompliziert. Als dieses blonde Mädchen und ihre meerblauen Glitzeraugen aus meinem Zug ausstiegen, ohne dass ich ihren Namen kannte, war ich verwirrt. Noch verwirrter aber war ich, als sie drei Stunden später wieder vor mir saß.

Unser erstes Date war eine Fahrt mit dem Touri-Bus durch unsere Heimatstadt München. Oben auf dem Dach, mit Kopfhörern und viel Grinsen. Ein paar Tage später wachte ich neben ihr auf und sie pustete mir ganz leicht in den Nacken. Wir verbrachten den Tag auf dem Land – mit auf-Baumstammstapeln-Liegen, Figuren-in-Wolken-Lesen und philosophierten über Murakamis Bücher, während wir in Gummistiefeln über nasse Wiesen stapften.

Als es begann dunkel zu werden, gab sie mir wie aus dem Nichts diesen festen, liebevollen Kuss. So fest, dass ich nicht mehr ganz wusste, wo oben und unten ist. Ob das jetzt wehtut oder gut ist. Es war unser erster Kuss. Wir standen einfach da, ohne uns zu bewegen, ohne zu atmen. Ein Auto wollte vorbei, weil wir mitten auf der Straße standen. Aber eigentlich waren wir gar nicht dort. Sondern ganz wo anders.   

Über den Autor:

Nils Ketterer hätte sich fast mal eine Knutsch-Übungs-App heruntergeladen. Seitdem fragt er sich, ob mit ihm alles in Ordnung ist.

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